Arbeiten über AufBruch




Ninas Präsentation in der Schule über DDR-Rockmusik anhand von AufBruch


1. Inwiefern fühltest Du Dich in deinen Möglichkeiten als Musiker durch den Staat beschränkt oder gefördert?
Beschränkt in erster Linie dadaurch, dass man erst dann auftreten durfte, wenn man eine Erlaubnis dazu hatte. Diese „Spielerlaubnis“ erhielt man durch ein Vorspiel bei der entsprechende Kulturbehörde (z.B. „Kreiskulturkabinett“). Dort saßen dann Musiker, die bereits eine „Einstufung“ (die Spielerlaubnis wurde in vier Qualitätsstufen vergeben: Grund-, Mittel-, Ober- und Sonderstufe. Diese Klassifizierungen hatten die Höhe der Gage zu Folge, die man verlangen durfte. Z.B. in der Grundstufe 4,50 pro Musiker und Stunde, Mittelstufe 5 Mark pro Musiker und Stunde usw.) hatten, dazu Behördenbedienste und Leute, die die Texte politisch bewerteten. Eine erteilte Erlaubnis konnte jederzeit widerrufen werden oder mit Auflagen versehen werden. Wenn z.B. ein Bandmitglied nicht arbeiten wollte, konnte der ganzen Band die Erlaubnis entzogen werden, weil sich ein Mitglied der Band „asozial“ verhielt. Arbeit war also Pflicht für Amateurmusiker. Profi wurde man in der Regel nur nach einem Studium. Auflagen erhielt eine Band z.B. dann, wenn man sie nicht direkt verbieten wollte (das war zu unserer Zeit so Ende der 80-er Jahre, bis Anfang der 80-er war man mit Verboten schneller zur Hand), also die Erlaubnis einziehen wollte. Die Veranstalter hatten sich im Vorfeld bei der Kreiskulturbehörde, wo die Band herkam, zu erkundigen, ob die Spielerlaubnis noch gilt. Dann konnte die Behörde den Veranstaltern (und der Polizeibehörde in der Stadt, wo das Konzert dann stattfinden sollte) mitteilen, dass die Band kritische Songs präsentiert, ein Verbot (noch) nicht geplant sei, aber als Anforderung an den Veranstalter soviel Ordner zu stellen seien, dass dieser das Konzert nicht durchführen konnte. Speziell Privatkonzertveranstalter (die gab es auch, vorallem auf den Dörfern, wo die Kneiper Interesse hatten, ihren Laden vollzubekommen) traf man mit solchen Anordnungen.

Beschränkungen gab es auch auf technischer Seite: Gute Instrumente und Anlagen waren entweder nicht zu erhalten oder unbezahlbar teuer, weil sie „aus dem Westen“ eingeschmuggelt wurden. LKWs waren nicht zu bekommen. Der LKW-Handel wurde staatlich organisiert, man konnte nicht einfach irgendwo einen LKW kaufen (oder verkaufen), sondern brauchte dazu eine Erlaubnis. Da es viele gab, die LKWs brauchten (Profibands, Zirkus, Selbstständige, usw.) war es unheimlich kompliziert, die Erlaubnis, einen LKW kaufen zu dürfen, zu erhalten. Wir hatten dann 1989 endlich das „Glück“ einen K30 Baujahr 1957 für 8.000 Ostmark kaufen zu können. Der hielt zwei Fahrten, dann war er Schrott.

Beschränkungen gab es natürlich auch bei der Produktion von Tonträgern. Einzige Plattenfirma war AMIGA. Selbst Profibands mussten warten, um ein Album produzieren zu dürfen, weil das AMIGA-Studio ständig für Produktionen besetzt war. Deshalb ging man auch ins Studio beim Rundfunk und nahm da auf (sieht man oft auf DDR-Platten: „Produziert vom Rundfunk der DDR“). Für Bands wie uns war das natürlich völlig utopisch, in ein Studio gehen zu dürfen. Wir vervielfältigten dann Mitschnitte von Konzerten oder Proben und kopierten die Aufnahmen am Radiorecorder...

Daraus ergibt sich natürlich auch schon eine Antwort auf den zweiten Teil deiner Frage: Gefördert wurden wir allerdings tatsächlich – wenn auch nur als Verrechnungsgröße. Die FDJ hatte in jedem Landkreis eine Band zu fördern. In unserem Landkreis waren wir die einzige Rockband. Die Förderung sah so aus, dass wir im Jahr ein bestimmtes Budget bei der Kreisleitung der FDJ für Mikros zum Beispiel abrufen durften. Im ersten Jahr 1000 Mark, im zweiten Jahr 5000 Mark (die sofort für den Kauf eines Mixers draufgingen). Die FDJ hatte was zum „Abrechnen“ und wir eben z.B. den Mixer. Deshalb interessierten die sich (zunächst) auch nicht für unsere Texte. Als bekannt wurde, dass mich dass MfS mehrfach vorgeladen hatte, wurde man bei der FDJ unruhig und wollte wissen, was los ist. Ab da gab es kein Geld und also auch keine „Förderung“ mehr.   

2. Gab es in Deiner Szene einen besonderen Kleidungsstil, der ausdrückte, zu welcher Musikszene man sich zugehörig fühlte?
Also wir trugen Lewis, die entweder in Ungarn gekauft wurden oder von vietnamesischen Gastarbeitern ins Land gebracht und für viel Kohle (eine Jacke 200-300 Ostmark, mein Monatslohn war rund 650 Ostmark) verkauft wurden. An den Füßen trugen wir „Klettis“ und im Sommer Jesuslatschen. Natürlich hatten (und haben) wir lange Haare. Das war aber das Outfit für viele. So konnten Leute von der Kirche aussehen, Blueser, Folkies, Hippies, aber auch Metalfans. Jedenfalls alle die, die in der DDR nicht Mainstream waren.


3. Gab es Kontakte zu Musikern in der BRD oder gemeinsame Auftritte?
Kontakte zu Westmusikern gab es (leider) nicht. Offiziell durften westdeutsche Musiker nur mit der „Konzert- und Gastspieldirektion“ verhandeln, das war eine Art staatlicher Konzertmanager, wo auch alle DDR-Profibands unter „Vertrag“ waren. Da gab es noch andere Probleme:  Hätten wir z.B. unsere Demos in den Westen zum RIAS gesandt, und wären die dort im Rundfunk gespielt worden, hätten man uns strafrechtlich verfolgen können. In den Anfangszeiten der DDR hat man das vorallem politisch begründet („Spionage“, „Geheimnisverrat“ usw.), zu unserer Zeit vorallem dann mit „Zoll- und Devisenvergehen“ (Ausfuhr von Gütern, die nicht ausgeführt werden dürfen“).


4. Wurde Deine Musik von der westlichen Musik beeinflusst (etwa durch Nachspielen der Lieder aus dem BRD-Radio)?
Wir haben nicht nachgespielt sondern von Anfang an eigene Songs gespielt. Beeinflusst ist natürlich jeder Musiker, egal ob Ost oder West, von anderen Musikern, die er im Radio hört.


5. Wer waren Deine Vorbilder in Deiner Anfangszeit als Musiker?
Zuerst war ich „Liedermacher“, also Solo auftretend mit Gitarre. Da gibt es natürlich viele Vorbilder, wie Bob Dylan, Arlo Guthrie, Pete Seeger, Gerhard Schöne, Hannes Wader. Als wir unseren ersten Auftritt als Band hatten, rief jemand aus dem Publkum nach vier gespielten Stücken ganz euphorisch „Ton Steine Scherben“. Und da wussten wir, wir sind auf dem richtigen Weg, denn die fanden wir Klasse (vorallem die 2. und 3. LP). (Und obwohl die Scherben im Westen nicht im Radio gespielt wurden, weil sie zu links waren, waren sie im Osten verboten!).

 
6. Inwieweit unterteilten sich die Jugendlichen in der DDR in verschiedene Gruppierungen, die eng mit den gehörten Musikrichtungen zusammen hingen?
Wie ich oben schon sagte, gab es – wie im Westen – Gruppierungen in der Jugend. Unter den Langhaarigen gab es zwar Fans der verschiedenen Musikrichtungen, aber trotzdem hörten eigentliche Alle alles. War auch kein Wunder: Es gab kein Musik-TV, fast keine jugendgemäße Rundfunksendungen mit „korrekter“ Musik, kaum Schallplatten von Westbands (alle 14 Tage in der gesamten DDR wurden sogenannte „Lizenzplatten“ in den Plattenläden verkauft, jeweils aber nur von einem westeuropäischen oder amerikanischen Künstler. Man stellte sich also um 14 Uhr am zweiten Dienstag des Monats in die Schlange vor dem Plattenladen ohne zu wissen, was es gab. Mal hatte man Glück, und es gab eine LP von Joan Baez oder AC/DC, mal hatte man Pech und es gab nur Roger Witthaker oder Peter Alexander). Daran siehst du: Joan Baez (eigentlich Folk) und AC/DC (eigentlich Heavyrock) zu hören schloss sich nicht aus. (AufBruch ist vielleicht auch so ein Ergebnis dieser Hörgewohnheiten: Zwischen Folkballade, Angejazztem und Punk findet man bei uns fast alle Musikrichtungen...). Ab Anfang der 80-er kamen dann die Punks auf und auch die Skins. Letztere hielten sich allerdings sehr zurück, nur im Umfeld vom DDR-Fußballmeister BFC Dynamo (der Club von Stasi-Chef Erich Mielke) gab es bekennende Nazi-Skins, die auch von der Polizei nur mit Samthandschuhen angepackt wurden, um es sich nicht mit der Stasi zu verderben. 1988 (?) gab es dann in der ganzen DDR erstmals eine größere Diskussion um Naziskins, weil die ein Konzert in der Zionskirche in Berlin überfallen hatten (da spielten Freygang und Element of Crime, letztere nur halblegal, weil sie ja aus der BRD ohne die Konzert- und Gastspieldirektion dort „privat“ in den Räumen der Kirche auftraten). Ansonsten gab es noch die Popper mit ihrer schön gefönten Haarwelle über der Stirn. Die liefen in Karottenhosen herum und galten als angepasst und systemkonform. Die hörten die Hitparade, also am Anfang der 80-er Neue Deutsche Welle, dann Modern Talking, Depeche Mode (damals klangen die richtig grausam), Human League usw. Fanden wir völlig öde. Da gab es dann so Sprüche wie: „Willst du einen Popper quälen, bind ihn an und spiel Van Halen“, oder „Lieber trocken Brot als Depeche Mode“, usw. Aber die „netten“ Popper sah der Staat eben ganz gern – die waren nicht aufmüpfig, sondern pflegeleicht und politisch kaum interessiert.

    
7. Wie sah Dein Werdegang aus (z.B. Ausbildung zum Berufsmusiker)?
Nach meiner Armeezeit wollte ich in Berlin studieren (an der Hochschule für Ökonomie in Karlshorst). Da wurde allerdings in der dritten Vorlesung („Militärkunde“ oder so ähnlich) von den männlichen Studenten verlangt, sich zum Reserveoffizier in den Semesterferien ausbilden zu lassen. Das wollte ich nun garnicht und habe deshalb nach drei Wochen mein Studium sausen lassen und wurde bei uns zu Hause „Hilfsarbeiter mit Abitur“ als Gabelstapler- und E-Karrenfahrer im Elektromotorenwerk bis 1989, dann wurde ich Hausmeister im Kindergarten. Ein Jahr nach meinem Studiumsversuch an der HfÖ hatte ich mich beworben an der HS für Musik in Berlin. Dort waren dann zunächst meine Bewerbungsunterlagen „verschwunden“ (erfuhr ich, weil ich Anfang September nachgefragt hatte, wie das denn nun mit einer Studienzulassung sei, da doch das Semester nun begänne. Nach einer Petition beim Kulturminister lud man mich dann Ende Oktober zu einem „Eignungstest“ ein. Den habe ich „natürlich“ nicht bestanden (wobei es in einem Gespräch nur am Rande um Musik ging).

 
8. Wurde Dir jemals angetragen, als inoffizieller Mitarbeiter zur Staatssicherheit beizutragen?
Ja, klar. Das wurde ganz geschickt versucht. Zuerst wurde ich (stets bei Vorladungen) einer Straftat bezichtigt: Aufruf zum unsozialistischen Lebenswandel, Herabwürdigung staatlicher Repräsentanten, Diskriminierung staatlicher Symbole usw. Als man mich werben wollte war der Vorwurf Aufruf zur Republikflucht: Als ich denen dann erklärte, dass ich selbst hierbleiben will und demzufolge auch keinen anderen aufrufe, den Ausreiseantrag zu stellen, wurde ich gefragt, ob ich denn dann nicht mit den staatlichen „Organen“ zusammenarbeiten wolle. Das kam für mich natürlich überhaupt nicht in Frage (dann hätte ich ja auch Reserveoffizier werden können...) .. Und was tut einem Geheimdienst am meisten weh? Wenn man ihm in der Öffentlichkeit das Geheime nimmt. Als ich dann bei der nächsten Vorladung sagte, dass ich ihr Angebot mit meinen Musikerkollegen besprochen habe und meiner Freundin und meinen Eltern und einigen Arbeitskollegen und ablehnen muss, mit dem MfS zusammenzuarbeiten, wurde ich nie wieder nach einer Zusammenarbeit gefragt...

 
9. War die Rockmusik in der DDR Ausdruck eines eigenständigen Lebensgefühls von Jugendlichen?
Naja, das ist Rockmusik doch immer und überall. Rockmusik ist Ausdruck, aber auch Bindeglied und gelegentlich Inspiratorin von Jugendgruppen und ihren Ideen. Das nutzen ja auch die Nazis aus, indem sie die CDs ihrer „Rechtsrock“gruppen verteilen. „Rechtsrock“ ist eigentlich Schwachsinn zum Quadrat: Rockmusik kommt ja aus dem angloamerikanischen Raum, und genau dagegen machen Nazis ja stets Stimmung (gegen „Kulturimperialismus“, so wie sie das nennen, gegen USA und GB, dafür eine Überbetonung des Deutschnationalen). Und Rockmusik war stets aufmüpfig, oft die Spießer kritisierend und provozierend, gelegentlich sogar revolutionär, immer der Zeit voraus und oft genug der Soundtrack von linken, sozialen, ökologischen, antimilitaristischen und demokratischen Bewegungen – eben all das, was Nazis ablehnen. Rockmusik propagiert stets die Freiheit, so rumzulaufen, wie man will, so zu sein, wie man möchte, so zu lieben, wie man es für richtig hält und stellt konservative Lebensentwürfe in Frage. Egal ob in der DDR, Rußland, Spanien, Japan, Kanada oder sonstwo.